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Aktuelle Seite: St. Pölten-Herz Jesu
NÖS-321
Stadt St. Pölten

Johann Wohlmeyer

1886

Im Jahr 1872 gründete Prälat Michael Ransauer in St. Pölten eine Bruderschaft zur Anbetung des Allerheiligsten Altarsakramentes. Zugleich sollte die Gemeinschaft eine Werkstätte für die Herstellung liturgischer Paramente betreiben.

Über Ransauer selbst ist heute kaum etwas bekannt. Er scheint jedoch keine unbedeutende Persönlichkeit gewesen zu sein. Denn 1877 erwarb er mit Hilfe des Alumnats St. Pölten ein soeben fertig gestelltes L-förmiges Wohnhaus, und er hatte nicht nur die finanziellen Mittel, das Gebäude als Kloster zu adaptieren und eine Paramentenwerkstätte einzurichten, sondern er konnte auch einen Kirchenbau in Auftrag geben.

Für die Arbeit in der Werkstätte wurden zunächst belgische Anbetungsschwestern berufen. 1896 wurde den Franziskanerinnen von Amstetten die Leitung der Werkstätte übertragen, die sich in den folgenden Jahren zu einem florierenden Betrieb entwickelte. Es wurden Messgewänder, Kirchenfahnen, Fronleichnamsbaldachine und weitere liturgische Textilien gefertigt, besondere Bedeutung erlangte die Werkstätte zudem durch die Restaurierung historischer Textilien.

Das Kirchengebäude wurde 1886 von einem unbekannt gebliebenen Baumeister direkt an das adaptierte Wohnhaus angebaut, musste allerdings wegen Konstruktionsfehlern noch im selben Jahr abgerissen werden. Daraufhin beauftragte Ransauer den renommierten St. Pöltner Baumeister Johann Wohlmeyer mit dem sofortigen Neubau.

Wohlmayer errichtete einen schlichten, längsgerichteten Bau im neogotischen Stil. Durch das Rundbogenportal, das darüber angeordnete Rundfenster und die modifizierten Friesbänder griff er zugleich auf Motive der Romanik zurück. So erhielt das kleine Gebäude, das an ein Musterbeispiel neogotischer Kirchenarchitektur erinnert, sein charakteristisches Erscheinungsbild. Bei der Gestaltung des quadratischen Turms mit Dreiviertelsäulen an den Längskanten könnte ihm die in jener Zeit hochgeschätzte romanische Kirche St. Martin in Köln (12./13. Jhd.) als Inspiration gedient haben.

Die Hauptfassade wird durch den markanten, als Dachreiter positionierten Turm mit den kleinen Nebentürmchen geprägt und schließt bündig an das Klostergebäude an. An der Rückseite bildet das Langhaus zusammen mit dem Klostergebäude einen großen U-förmigen, gepflasterten Innenhof.

Im Inneren der Kirche erhielten der Chor und der Saalraum stark ausgeprägte Kreuzrippengewölbe, die auf gebündelten Wandpfeilern aufruhen. Aufgeschlossenheit gegenüber modernen Materialien bewies Wohlmeyer mit dem Einsatz von schlanken Eisensäulchen als Stütze der Orgelempore. Große Fenster mit sparsam eingesetzten Buntglaselementen sowie die aus Holz und Buntglasquadraten gefertigte Eingangstüre verleihen dem Kircheninneren eine helle und freundliche Atmosphäre.

Im Jahr 2009 wurde die Kirche der Kroatischen katholischen Mission übertragen. Ende Juli 2025 wurde die Paramentenwerkstätte geschlossen und das Klostergebäude ebenfalls der kroatischen Gemeinde überlassen.

Historismus