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Aktuelle Seite: 12., Lichtensterngasse
WS-12.9
12. Bezirk - Meidling

Viktor Hufnagl

1979-1981

Am Rand des kleinen Vorortes Altmannsdorf, heute Teil des 12. Bezirks, lag das Eiswerk, wo im Winter Eisblöcke hergestellt wurden. Dazu wurden durch Aufstauen des Baches Altmannsdorfer Graben flache Seen angelegt und im Winter deren gefrorenes Wasser zu Eisblöcken geschnitten. In Kellern gelagert wurden sie im Sommer an gastronomische Betriebe, Lebensmittelgeschäfte und private Haushalte verkauft.

Im Zuge neuer Stadtentwicklungsprojekte der Gemeinde Wien wurde In den 1970er Jahren auf dem Gebiet der längst still gelegten Eiswerke eine Großwohnhausanlage für rund 5000 Bewohnerprojektiert, und in Erinnerung an den Eiswerke-Betrieb Am Schöpfwerk benannt. Mit der Planung wurde Viktor Hufnagl beauftragt, der mit seinem Team das Bebauungskonzept ausarbeitete, das auch die Errichtung eines Seelsorgezentrums mit einer Kirche für 220 Sitz- und 400 Stehplätzte vorsah.

Hufnagl stellte der Planung des Kirchengebäudes gleichsam ein Motto voran: „Symmetrie und modulare Maßeinheiten soll Ordnung, Proportion und Harmonie sinnlich wahrnehmbar machen.“ Er wählte das Quadrat als geometrisches Ordnungssystem und, das Gestaltungskonzept der umliegenden, seitlich abgetreppten Wohnbauten aufgreifend, unterteilte er den Baukörper in zurückspringende Geschosse, die sich zu einer Stufenpyramide entwickeln. Die tragenden Elemente bestehen aus einer verputzten Stahlbeton-Skelettkonstruktion, die Zwischenfelder sind mit Sichtziegelmauerwerk ausgefacht.

Der vorgesehene Bauplatz lag auf einer Geländestufe, die durch die Anlage der Eisseen entstanden war und das Seelsorgezentrum ist daher in zwei Ebenen unterteilt. Das untere Geschoss beherbergt einen großen Pfarrsaal sowie Räume für diverse Aktivitäten der Pfarrgemeinde, während das darüber liegende Geschoss den sakralen Bereich umfasst. Von einem Vorplatz gelangt man zu einem siebengeschossigen, campanileartigen Turm, in dessen Erdgeschoss die Verbindungsstiege zwischen der sakralen und der profanen Ebene liegt. Zu beiden Seiten des Turmes erfolgt über Stiegen der Zugang zum sakralen Bereich. Man erreicht zunächst das Vestibül, dem in der Querachse eine Werktagskapelle und die Sakristei angefügt sind. In der Blickrichtung zum Altar gelangt man schließlich in den sakralen Hauptraum.

Laut Hufnagl sollte „durch differenzierte Höhen, durch Plastizität, durch Ornament und Farbe […] Kirche zum Raumerlebnis werden. Die schlichten Gestaltungselemente sollen Heiterkeit, Feierlichkeit und Daseinserhöhung bewirken.“

Für die Umsetzung seines Vorhabens konzipierte der Architekt eine Stufenpyramide und schrieb diesem Konstrukt auch die Bedeutung eines „geistigen Inhalts“ zu, indem er die Höhenentwicklung der Stufenpyramide als „Hierarchie der Werte“ interpretiert: In der ersten Stufe umfasst ein Umgang mit Betonstützen den Hauptraum mit dem Altar und den Bänken für die Kirchengemeinde. Dieser Hauptraum ist in der zweiten Stufe in griechischer Kreuzform konzipiert. Quadratische Lichtdome in den Kreuzwinkeln dienen der Beleuchtung des Innenraumes. Die dritte Stufe umfasst nur mehr die Vierung der Kreuzform als zentralen Altarbereich, über dem in der vierten Stufe eine „Laterne als Lichtquelle von oben“ die Pyramide abschließt.

Im Innenraum ist die Stufengliederung deutlich erkennbar. Bei der Ausgestaltung der Wände erweist sich Hufnagl durch historisierende Rückgriffe als postmoderner Eklektiker: Zweifellos die geometrische Ästhetik von Josef Hoffmann, Mitglied der Wiener Secession aufgreifend, zeichnet er an den weiß getünchten Wänden mit grüngoldene Keramikfliesenbändern das tektonische Konzept des Baukörpers nach. Auf barocke Symbolik und Dekorlust besinnt er sich hingegen, wenn er als „Symbol des Firmaments“ eine Vielzahl von blauen Halbkuppeln an den Deckenunterseiten der einzelnen Geschosse anbringt, und diese in einem Horror Vacui als schlichte Kreise an den Wänden nachzeichnet. Buntglasfenster in der Laterne, roten Quadrate, die die schmalen Fensterbänder in der untersten Stufe unterteilen, evozieren „Heiterkeit“. Zahlreiche kleine kugelförmige Lampen steigern die Raumwirkung.

Die kleine Kirche verschwindet beinahe im Umfeld der riesigen – überdimensionierten – Wohnblöcke. Vielleicht war dies der Grund, warum Hufnagls außergewöhnliche Kirche in der Fachwelt als Zeugnis der frühen Postmoderne weitgehend unbeachtet blieb.

Nachdem gemäß einer EU-Richtlinie 2006 auch Ausländern der Zugang zu Wohnungen in Gemeindebauten ermöglicht werden musste, hat sich in der Wohnhausanlage die Anzahl der Katholiken drastisch reduziert und im Jahr 2022 wurde die Pfarrkirche am Schöpfwerk der serbisch-othodoxen Glaubensgemeinde übergeben. Sie wird heute als Kirche zum Akathist [Hymnus] der Allerheiligsten Gottesmutter Maria bezeichnet. Da zuvor der Bau unter Denkmalschutz gestellt worden war, erfolgten nur wenige Änderungen im Innenraum.

20. Jhd.