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Aktuelle Seite: St. Pölten-Wagram-Jubiläumskapelle
NÖS-239
Stadt St. Pölten

Johann Zeilinger

1908

Der St. Pöltner Stadtteil Wagram bestand ursprünglich aus den Orten Ober – und Unterwagram, die bereits im Mittelalter gegründet wurden. Sie gehörten zur Pfarre Zur Hl. Dreifaltigkeit in der Altstadt St. Pölten, die für die Bewohner nur schwer erreichbar war.

Die Unterwagramer errichten daher bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in ihrem Ort eine kleine Kapelle aus Holz. In Oberwagram ergriff erst im Jahr 1904 der in der Gemeinde sehr engagierte Mühlenbesitzer und Abgeordneter des NÖ Landtags Josef Zwetzbacher die Initiative, den Bewohnern auch zu einer eigenen Kapelle zu verhelfen. Um Spenden zu sammeln, gründete er einen Verein und 1908 sollte anlässlich des 60jährigen Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josefs und des 50jährigen Priesterjubiläum von Papst Pius X. die neue Kapelle geweiht werden. Der St. Pöltner Stadtbaumeister und Bauunternehmer Johann Zeilinger, der bereits in dem damaligen St. Pöltner Vorort Viehofen anlässlich des 50jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers eine neogotische Jubiläumskirche errichtet hatte, wurde mit der Planung betraut.

Insbesondere in der Barockepoche wurde eine unüberschaubare Zahl an Ortskapellen erbaut. In der Regel wurden sie als kleine Rechteckbauten mit einer runden Apsis und einem Turm oder einem Dachreiter erbaut und zumeist gelb gefärbelt. Dieser Typus der Ortskapelle hat sich über Jahrhunderte hinweg erhalten. Umso bemerkenswerter ist der Entwurf von Johann Zeilinger, der die traditionelle barocke Gestaltungsweise modern interpretierte.

Dem Trend zum Zentralbau folgend, wählte er einen nahezu quadratischen Grundriss. An der Eingangsfassade ließ sich der Baumeister bei der Gestaltung eines großen Thermenfensters möglicherweise von der 1907 fertig gestellten SteinhofkircheOtto Wagners inspirieren. Die Giebelkanten münden hingegen in minimierte, geometrisch verfremdete barocke Voluten. Die Turmhaube, die in der Barockzeit eine Glocke nachbildete, formte er zu einer gedrungenen, vierseitigen Dachform um, die in ihrer geschwungenen Linienführung an moderne Ornamentik erinnert.

Aus Kostengründen musste Johann Zeilinger auf Dekor verzichten. Durch die zweifarbige Bänderung des Baukörpers und gezielte farbige Akzente verleiht er dem kleinen Kapellenbau jedoch eine prägnante gestalterische Eigenständigkeit, die der Bedeutung als Jubiläumskapelle gerecht wird.

20. Jhd.