1040 Elisabethplatz
1859-1868
Der kleine Ort Wieden hatte sich bereits im Mittelalter zu einer stark besiedelten Vorstadt von Wien entwickelt. Im Zuge des ersten Türkenkriegs (1529) wurden auf Anordnung des Kriegsrats alle Vorstädte rund um Wien niedergebrannt, aber nach dem endgültigen Sieg über die Türken (1683) entwickelte sich Wieden im 18. und 19. Jahrhundert neuerlich zur prosperierenden Vorstadt.
Nach der Eingemeindung der Vorstädte in Wien (1850) entstanden in den neu angelegten Bezirken großzügig dimensionierte Kirchenbauten, die aus den Mitteln des Religionsfonds finanziert wurden. Im Jahr 1857 beschloss das Kultusministerium, in Wieden auf einem neu erschlossenen Gebiet nahe des Linienwalls eine Pfarrkirche mit einem Fassungsraum von 2600 – 3000 Personen errichten zu lassen. In Absprache mit Kardinal Rauscher, Erzbischof von Wien, wurde der Architekt Hermann Bergmann mit der Erstellung von Plänen für einen Steinbau mit einem Turm betraut. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es, dass allerdings „nachträglich […] anstatt eines vollständigen Steinbaues ein Rohbau in Verbindung mit Stein“ (Karl Weiss) gefordert wurde.
Die – wenigen – Kirchen, die vor der Schleifung der Stadtmauer in den Wiener Vorstädten und -orten entstanden sind, zeigen zum Teil klassizistische Formulierungen oder sie wurden im schlichten Rundbogenstil errichtet (vgl. etwa die Johannes Nepomukkirche in Wien 2.,). Zwar galt die gotische Bauweise als idealer Stil für den Kirchenbau, doch da diese Vorliebe aus der Erforschung mittelalterlicher Kathedralen in Deutschland und Frankreich hervorgegangen war, war bald klar, dass eine Kirche in dieser aufwändigen Bauweise – insbesondere in einer Zeit, in der das Hofbauamt auf strikte Sparsamkeit beim Bau öffentlicher Gebäude drängte – finanziell nicht zu realisieren war. (mehr hier)
Der aus Prag stammende Architekt Hermann Bergmann war zwar Beamter des Hofbauamts, aber es wird betont, dass er die Elisabethkirche „in außeramtlichen Stunden“ erarbeitet habe. Als freier Architekt zeigte er den Wienern, dass sich eine gotische Kirche kostengünstig in Sichtziegelbauweise realisieren lässt, und dass mit diesem Material auch ein Bau mit beeindruckender Monumentalität entstehen kann.
Mit der in Tschechien weit verbreiteten nordischen Backsteingotik bestens vertraut, plante der Architekt eine dreischiffige, abgestufte Hallenkirche aus Sichtziegeln, fasste die tektonischen Glieder mit markanten Hausteinen ein und bereicherte den Außenbau zusätzlich mit Elementen der deutschen Spätgotik, ohne sich jedoch „in allen Details starr an die Formen jener Zeit zu binden.“ (Karl Weiss) Ein Querschiff, ein polygonaler Chor, ein Fassadenturm, diverse Kapellenanbauten sowie mächtigen, gestaffelten Strebepfeilern bewirkten eine vielfältige Auflockerung des monumentalen Baukörpers. Die Kombination des roten Ziegels mit dem weißen Haustein verlieh dem Kirchenbau eine ästhetische Qualität, die in Wien zu jener Zeit völlig neuartig war.
Bermann erstellte auch die Pläne für die gesamte Innenausstattung. Da jedoch sein Kostenvorschlag die vorgesehenen finanziellen Mittel weit überstiegen, wurde der Auftrag dem Architekt Josef Lippert übergeben, der eine stilgerechte neogotische Einrichtung schuf.
Der erste Backsteinbau in Wien fand in den zeitgenössischen Medien und der Fachwelt erstaunlich wenig Beachtung. Einige Jahre später entwarf Bergmann als Beamter des Hofbauamts die Kepplerkirche im 10. Bezirk – allerdings in dem zu dieser Zeit bereits veralteten Rundbogenstil. Möglicherweise blieb ihm daher ein weiterer Kirchenbau verwehrt, zumal ihm mit Friedrich Schmidt, der im Kirchenbau nahezu zeitgleich ebenfalls die Sichtziegelbauweise anwendete, ein bedeutender Konkurrent erwachsen war. (mehr hier)